print(”Hello Future”) - Legal Tech im Studium

 Die Universität Zürich hat im Herbstsemester 2023 neue Module eingeführt, die sich mit dem spannenden Schnittfeld von Recht und Technologie auseinandersetzen. Unsere Fakultät hat damit einen entscheidenden Schritt in Richtung Innovation unternommen. In diesem Blogbeitrag möchte ich euch einen authentischen Einblick in diese Module gewähren. Basierend auf Interviews mit Studierenden und deren Erfahrungsberichten, muss ich konstatieren, dass das alte Argument “Judex non calculat” nicht länger vor der Notwendigkeit schützt, sich mit mathematischer Logik auseinanderzusetzen.

Die neuen Module umfassen:

Beginnen wir mit dem Bachelor-Modul “Programming and Computational Thinking for Lawyers”. Dieses Modul ist für Studenten ohne vorherige Programmierkenntnisse vorgesehen, die ihre ersten Schritte in der sicheren Umgebung der Uni machen wollen. Das Modul vermittelt Basiskenntnisse in der Programmiersprache “Python” und ist auch gemäss Erfahrungsberichten für blutige Anfänger geeignet. Das ECTS-Aufwand-Verhältnis ist fair, jedoch kommt es auch darauf an, wie gut einem das logische Denken liegt. Es hat durchaus seine Vorteile in der Uni programmieren zu lernen, vor allem wenn man im Studium keine Berührungspunkte mit dem Programmieren hat, zumal einem Professoren zur Seite stehen und man sich mit seinen Kommilitonen austauschen kann, die zur gleichen Zeit dasselbe zu verstehen versuchen. Ein Kritikpunkt ist jedoch die etwas verlorene Verbindung zum juristischen Fachbereich. Man ist so damit beschäftigt den Unterschied zwischen print und return oder dictionaries, lists und tuples herauszufinden, dass die Verbindung zur Juristerei in einer Lektion abgehandelt werden muss, in der wir “Ctrl + F” für eine sehr beschränkte Anzahl an heruntergeladenen Bundesgerichtsentscheiden selbst entwickeln. Eine Legal Engineer ist man danach wohl kaum. Trotzdem vermittelt das Modul grundlegendes Computational Thinking und legt eine solide Basis für weiterführende Programmierkenntnisse, auf die in zusätzlichen Kursen aufgebaut werden kann. Solche Kurse bietet die UZH sogar unter https://zi-training.zi.uzh.ch/de/page/courseprogramme an und das völlig gratis (für die ECTS-Piraten unter euch, nein es gibt keine Credits dafür, aber ein schönes, offiziell aussehendes Diplom von der UZH).

Auch im Master kann man seine Programmierkenntnisse mit dem Modul “Legal Data Science” ausbauen. In diesem 6 ECTS-Modul eignet ihr euch Grundkenntnisse der Programmiersprache “R” und der Statistik an und lernt, wie man Data Science im Legal Bereich nutzen könnte. Der Arbeitsaufwand sei machbar und im Verhältnis zu den ECTS grundsätzlich fair, es kann aber schnell aufwendig werden, wenn man die Materie wirklich tiefer verstehen will. Das Wissen wird in Lernvideos und Übungen vermittelt, die alle nicht live stattfinden. Die Videos sind für Anfänger etwas komplex und nicht sehr detailliert. Zudem ist die Prüfung “closed book”, was bedeutet, dass der erforderliche Code auswendig gelernt werden muss. Beachtet aber, dass die Module neu und noch nicht komplett ausgereift sind. Trotz allem würde gut die Hälfte der befragten Personen das Modul weiterempfehlen.

Wer einen direkten praktischen Bezug zur Rechtswissenschaft braucht, dem sind die Module „Empirical Legal Studies“ oder „Legal Tech“ im Bachelor zu empfehlen. Im Modul “Legal Tech” lernt ihr, was Machine Learning ist, wie es funktioniert und wie sie für den juristischen Bereich genutzt werden kann. Es schafft insoweit eine technische Basis, um über KI reden zu können. Ein Befragter hat das Modul mit den Worten „spannend, nützlich und nicht sehr schwierig“ umschrieben. Das Modul findet im Moment nur in Präsenz statt. Das Modul “Empirical Legal” Studies vermittelt vertieft statistische Konzepte und lehrt, wie man Statistik kritisch hinterfragt. Ihr werdet erfahren, welche Rolle Statistik in der Juristerei spielt. Ganz gut für uns Juristen: Mathe muss man dabei nicht gross können. Wer also Jura studiert, weil das gefühlt der einzige Studiengang ist, in dem Statistik kein Pflichtmodul ist (wie ich), ist an der falschen Adresse. Man läuft aber Gefahr von Statistik-Fans, die dieses Modul besucht haben, mit Nonsens wie “Statistik gewinnt in der Rechtswissenschaft zunehmend an Bedeutung” und dass man sich jetzt schon mit Statistik auseinandersetzen soll, denn “je älter man wird, desto schwerer wird es für uns Juristen Mathe in den Schädel zu hämmern” zugetextet zu werden. Wem dadurch nicht der kalte Schauer den Rücken runterläuft, der kann sich auf seine zukunftssichere Ausbildung freuen. Der Aufwand ist etwas grösser (manche beklagten sich, er sei zu gross), aber hey, es gibt Podcasts.

Wer sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit mit Statistik beschäftigen will (warum auch immer), dem wird das neue Seminar: “Empirical Analysis of the Law: A Challenge-Based Approach Using R” sicherlich gefallen. Es findet in englischer Sprache statt und kann im Rahmen der Bachelor- oder Masterarbeit absolviert werden. Hier werdet ihr gefordert und habt die Gelegenheit, ein publiziertes Paper (von richtigen Wissenschaftlern) in Empirical Legal Studies zu analysieren und kritisieren und lernt dabei, wie empirische Arbeiten strukturiert sind. Das neu gelernte Wissen könnt ihr dann in einem Gruppenprojekt anwenden, bei dem ihr selbst eine Mini-Version einer rechtsempirischen Arbeit mithilfe der Programmiersprache R verfasst. Es wird viel Eigeninitiative erwartet (dafür bekommt man auch 6 ECTS). Eine Kombination mit dem Modul Empirical Legal Studies ist zu empfehlen, da ihr dann weniger auf eigene Faust Statistik lernen müsst (beides klingt nach zu viel Mathe). Der Dozent Prof. Tilmann Altwicker schafft in beiden Modulen mit seinem trockenen Humor und seinen inspirierenden Motivationsreden auf jeden Fall ein lockeres und lernfreundliches Umfeld.

Die neuen Module bilden im Grunde eine Abwechslung zum Jusstudium und ermöglichen es, die Rechtswissenschaften aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Die Zukunft ist jetzt, und wir müssen unser Skill-Set anpassen, sei es jetzt oder später. Wer sich diese Skills jetzt aneignet, hat in dieser Zeit des Umbruchs in unserer Branche die Chance, eine:r der Wenigen zu sein, die tatsächlich für die Ansprüche des technologischen Fortschritts an die Rechtsbranche bereit und ideal ausgebildet sind.

16.04.2024 Jasmin Günter